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Donnerstag, 22. Mai 2014

Noch 3 Tage: Von Frontalangreifern und Querdenkern

Von PETER WILD


Noch drei Tage gehen ins Land, dann dürfen wir an die Wahlurnen. Zwar hat es lange gedauert, aber jetzt, so kurz vor Toreschluss, kommt doch noch Fahrt in den Wahlkampf. Wer heute in die gedruckte Ausgabe der „Glocke“ sieht, der findet eine ganze Latte Leserbriefe, allesamt irgendwie hochpolitisch. Dass das Tauziehen um die richtige Wahl bei der Marktplatzsanierung zu den Streitpunkten gehören sollte, war an dieser Stelle bereits ausführlich thematisiert worden. Und das ist gut so, denn das integrierte Stadtentwicklungskonzept, für das der Markt Pilotprojekt sein soll, ist nicht nur eines der wichtigsten Vorhaben der nächsten Ratsperiode, sondern auch ein für viele Bürger sehr konkretes Projekt, über das es sich lohnt, intensiv zu streiten.


Zwei neue "Aufreger"

Gleichwohl dominieren auch zwei weitere „Aufreger“ unsere heutige Zeitungsausgabe, und da haben wir eine gute und eine schlechte Nachricht zu verkünden.

Die schlechte zuerst: Spätestens mit der „persönlichen Stellungnahme“ von Bürgermeister Jochen Walter als Kuratoriumsvorsitzender ist die unselige Führungsdiskussion bei der Stiftung Josephs-Hospitals (leider) doch noch zum Politikum geworden. Was da abgeht, kann niemanden kalt lassen. Wie ist es einzuordnen, dass derselbe Jochen Walter, der sich noch im Januar geoutet hatte, neben dem Vertreter der niedergelassenen Ärzte, Dr. Gottfried Färber, als einziger gegen die Trennung vom Vorstandsvorsitzenden, Krankenhausdirektor Dr. Martin Biller, gestimmt zu haben, jetzt -ohne erkennbare Not- den inzwischen von einer nachgeschobenen fristlosen Kündigung (im wahrsten Sinne des Wortes:) Betroffenen öffentlich derart an den Pranger stellt? Welche Kräfte wirken da auf den ansonsten als „Moderator“ geschätzten Ersten Bürger ein, dass er in dieser Sache so offensiv nach vorne geht?


Was, wenn auch Bürgermeisterwahl wäre?

Und auch diese Frage dürfte in einem Blog zur Kommunalwahl erlaubt sein: Was wäre los, wenn nicht nur der Rat, sondern auch der Bürgermeister zur Wahl stünde? Hätte der Amtsinhaber, wenn er sich selbst zur Wiederwahl hätte stellen wollen, auch kurz vor dem Urnengang einen solchen Schritt gewagt?
Man könnte es allerdings auch anders sehen: Vielleicht bezieht er jetzt nur deshalb so klare Position, weil er meint, sich das leisten zu können, weil er ja weder am Sonntag zur Wahl steht noch im September 2015 für eine dritte Amtszeit kandidieren will? –Genug Stoff jedenfalls, um über die Mechanismen von Kommunalpolitik an dieser Stelle nachzudenken.


Starke Worte für liberale Kirche

Und nun die gute Nachricht, obwohl dieser weitere „Kracher“, den Sie heute in der „Glocke“ lesen können, zu Unrecht fast an den Rand gedrängt ist: Einer, der sich auch nicht basisdemokratisch wählen lassen muss, hat gleichwohl oder gerade deshalb so mutige wie riskante politische Aussagen gewagt: Laurentius-Pfarrer Peter Lenfers hat in einer Predigt starke Worte für eine liberalere katholische Kirche gefunden: Für Frauen im Priesteramt, gegen den Zölibat, für mehr Rechte von wiederverheirateten Geschiedenen in der Kirche und mehr Achtung für andere Weltreligionen. Alle Achtung. Eine so mutige Positionierung möchte man sich von manchem Politiker wünschen, der am Sonntag zur Wahl steht. In Europa oder in Warendorf.

Der Applaus aus dem Kirchenschiff hat gezeigt, dass es sich lohnt, auch mal querzudenken und zur Not querzuschießen. Hoffentlich sieht das der Bischof von Münster auch so.

6 Kommentare:

  1. Zum Krankenhaus kann man nur drauf warten bis "Wikileaks" (oder investigieren die Lokaljournalisten auch?) uns vorlegt, was da wirklich war. Ich traue dem Kuratoriumsvorsitzenden, der ja als ehem. Banker nun wirklich volkswirtschaftlich denkt, nicht zu, dass er mutwillig handelt, auch menschlich betrachtet ist das seine Sache nicht. Wie schade und schlimm für die Mitarbeiter dort, unter diesem "Theater" arbeiten zu müssen - und auch mancher Patient wird denken, ob alles weiter klargeht mit einem "Lazarettschiff" ohne Kapitän. Das müssen aber die Beschäftigten über ihre Gewerkschaften selbst regeln. Und die Kranken, die scharf auf sich aufpassen (lassen). Und, wie gesagt, der Rat ist da machtlos. Der Wähler leider auch. Wir haben nur ganz eingeschränkt "demokratisch kontrollierte" Betriebe, ist auch wohl besser so.

    Thema Kirche: Ist das nun ein Wahlthema, Herr Wild? Ok. Dann Folgendes: Ja, es ist bedauerlich, daß es keine ernstzunehmende Partei mehr zu geben scheint, die sich über Kirchensteuersysteme und die Weiterführung der Trennung von Kirche und Staat tiefergehende Gedanken macht und programmatisch handelt. Die den größten Arbeitgebern Deutschlands, nämlich den konfessionellen Wohlfahrtsverbänden ihre Privilegien zu Lasten der Mitarbeiter und des Steuerzahlers entwinden möchte. Das Staatskirchenrecht muss höchst dringlich reformiert werden. Die Schranken der für alle geltenden Gesetze dürfen auch die Glaubensgemeinschaften nicht mehr überspringen. Früher war dieses mal Sache der Liberalen, die heute dazu kaum noch etwas sagen. Immerhin haben wir Grünen - von der Lokalredaktion der Glocke wohl bemerkt -, aber mit gerümpfter Nase erwähnt - die Forderung nach einer Umwandlung der Bekenntnisschulen in Warendorf erhoben. Lokal zu handeln wäre also dem Wähler hier möglich.

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  2. Lieber Herr Aßhoff,

    zunächst einmal vielen Dank. Ich freue mich jedesmal über Ihre Kommentare. Sie zeigen mir als gelerntem und überzeugtem Print-Journalisten, dass dieses Blog-Angebot als zusätzliche Plattform durchaus Sinn macht.
    Zum Thema Kirche: Natürlich ist eine Predigt kein Wahlthema. Ein Thema ist es für mich in diesem Blog aber dadurch geworden, dass ich meine, solche mutigen Äußerungen zu strittigen Themen stünden auch manchem Ratskandidaten gut an, der sich angesichts der bevorstehenden Wahl scheut, durch Querdenken ein Risiko einzugehen. Stromlinienförmige Politiker (und auch Pfarrer) haben wir genug. Deshalb bedauere ich es auch, dass nach meinem Geschmack viel zu wenige Kandidaten die Kommentarfunktion zu diesem Blog nutzen. Sie sind da leider die Ausnahme.
    Und jetzt hoffe ich auch noch aufKommentare aus der Kirche, ob von Laien oder Geistlichen. Am liebsten von Pfarrerinnen. (Redaktion, pw)

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  3. Ich auch, schade, wir bleiben unter uns...Ich stelle mir gerade vor, es würde zukünftig so laufen, dass während der Ausschuss- oder Ratssitzungen noch nebenhergezwitschert würde hier im Blog, all das Unfertige, Ungesagte und Nurgedachte, manchmal eben auch die Geistesblitze - nicht auszudenken, da würde die Demokratie einfach eine Parallelgesellschaft gründen und es kämen alle zu Wort, nicht nur die ersten Reihen...ach was, ich träume nur

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  4. Andrea Kleene-Erke23. Mai 2014 um 19:36

    EIn mutiger und richtiger Schritt, den Pfarrer Peter Lenfers in seiner Predigt gegangen ist. Die katholische Kirche muss sich öffnen! Ich schätze Pfarrer Lenfers, weil er klar Position bezieht und mitten im Leben und in seiner Gemeinde steht.

    Wie einfach ist es da doch, den Übergang zur Europa- und Kommunalpolitik zu ziehen. Ich bin mir sicher, Pfarrer Lenfers hat auf fundiertem Wissen die richtigen Schlüsse gezogen. Sehr gut! Ob dies aber wirklich 1:1 auf alle Themen unserer Kommunalpolitik übertragbar ist, wage ich allerdings zu bezweifeln! Klassisches Negativbeispiel ist für mich der Marktplatz. Hier wird viel zu viel "Klartext" gesprochen und dies ohne überhaupt alle notwendigen Informationen für eine Festlegung zu diesem Zeitpunkt zu kennen!

    Und dann stelle ich auch einmal die Frage: Ist die Gestaltung unseres Marktplatzes wirklich das zentrale und einzig wichtige Zukunftsthema für unsere Stadt?! Man könnte fast den Eindruck gewinnen. Der Marktplatz wird in epischer Breite diskutiert und andere Themen wie zum Beispiel die Sicherheit unserer Kinder im Schulviertel sind eher eine Randnotiz! Da kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Die wichtigen Themen für unsere Stadt sind für mich und hier zitiere ich aus unserem SPD Wahlprogramm: "Wir wollen eine Stadt für alle, ob jung ob alt, ob Frau ob Mann, ob mit oder ohne Behinderung. Alle haben in unserer Stadt und Gesellschaft die gleichen Rechte, jeder soll teilhaben und mitmachen. Niemand darf ausgeschlossen werden." Ein Schlüssel hierfür ist die Bildung, attraktive Angebote für Familien, für Jugendliche und Senioren. Dies sind wirkliche Zukunftsthemen für unsere Stadt!

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  5. Benjamin Walter23. Mai 2014 um 22:39

    Als ehemaliger Warendorfer verfolge ich diesen Blog mit großem Interesse. Er ist meinungsstark, provokant, informativ und verdammt gut geschrieben. Allerdings bin ich nur durch einen totalen Google-Zufallstreffer auf dieser Seite gelanden, deren Beiträge ich mir gestern Nacht komplett von hinten nach vorne durchgelesen habe. Möglicherweise liegt es also nicht nur an der Politikmüdigkeit der Warendorfer und Exilwarendorfer, dass hier nicht wild diskutiert und wegen mir auch gerne ein bisschen gestritten wird. Sondern auch daran, dass kaum jemand von diesem Blog erfahren hat. Ich mag mich täuschen und vielleicht hat es Ankündigungen, Verlinkungen, Banner, SEO und sonstige "Werbemaßnahmen" gegeben. Dann sind die Warendorfer Bürger selber schuld. (Die Lokalpolitiker hatten dagegen vielleicht auch einfach ein bisschen Angst vor der Shitstormschleuder Web 2.0?) Aber Onlinejournalismus funktioniert meiner Meinung nach (leider) nicht so, dass man einfach ein paar (sehr gute) Texte ins Netz stellt und dann mal abwartet. Sondern man muss sich seine Leser auch suchen. Und warum nicht auch über Facebook? Ich hoffe sehr, dass die mangelnde Resonanz nicht in dem Fazit mündet, dass Blogs und Onlinejournalismus einfach "nicht funktionieren". Und auch wenn Besserwissen im Internet so einfach ist, wie Fische aus einem Fass zu angeln, glaube ich fest, dass hier mehr möglich gewesen wäre. Am Inhalt hat es sicher nicht gelegen. Blog on, Herr Wild. Und immer sharen, liken, tweeten. Auch wenn's schwer fällt. :-)

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  6. Lieber Benjamin Walter, vielen Dank für diese konstruktive Kritik. Vor allem freue ich mich als überzeugter Print-Journalist, dass die Inhalte, die ich auch auf dem Weg eines Online-Blogs versuche, an die Leser zu bringen, wertgeschätzt werden. Dass wir als lokale Tageszeitung in Sachen Web-Marketing und Blog-Design noch längst nicht das Optimum präsentieren, ist uns natürlich auch klar. Und so lässt sich (unter anderem) sicher auch die vergleichsweise geringe Resonanz erklären. Aber Kommentare und Zuschriften wie diese ermutigen uns, weiter an diesem medialen Kanal zu arbeiten. Liebe Grüße aus dem schönen Warendorf! (Redaktion, pw)

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