Von PETER WILD
Man hätte es nach 37 Jahren Berufserfahrung als Tageszeitungsredakteur eigentlich wissen müssen. Und doch hatte ich am Freitagmorgen nicht damit gerechnet, was der Redaktion bei der Produktion der Samstagausgabe noch so alles auf den Tisch bzw. ins E-Mail-Postfach flattern sollte. Es war halt der letzte Arbeitstag der Redaktion vor den Wahlen am kommenden Sonntag.
Was alles nicht erschien
Um es vorweg zu sagen: All die Dinge, von denen die nächsten Zeilen handeln, stehen nicht in der Print-Ausgabe der Glocke. Wir halten aus gutem Grund an der alten Tradition fest, in der letzten gedruckten Ausgabe vor einer Wahl keine parteipolitischen Aussagen mehr zu veröffentlichen, in denen gegen den politischen Mitbewerber geschossen wird, der dann keine Möglichkeiten mehr hat, mit einer Gegen-Stellungnahme zu reagieren.
In Online-Foren wie diesem Blog ist das etwas anderes. Wie man das ja aus einschlägig bekannten sogenannten „sozialen“ Netzwerken weiß, kann man sich da ja -vorzugsweise anonym- bis zum gegenseitigen Erbrechen die Meinung m die Ohren hauen. Wer das zu diesem Beitrag möchte, kann uns ja seinen Kommentar senden. Vielleicht schalten wir ihn sogar frei, wenn wir es journalistisch verantworten können, für die Veröffentlichung geradezustehen. (An dieser Stelle können alle Piraten, die ja schon die zeitverzögerte Veröffentlichung, in jedem Fall aber jede presserechtliche Überprüfung solcher Inhalte für Zensur halten, schon mal wieder die Hasskappe aufsetzen).
Stellungnahmen reihenweise
Aber kommen wir zu den Inhalten: Die ersten Stellungnahmen kamen gestern von den beiden SPD-Ratskandidaten Dr. Erich Tertilt und Andreas Hornung, die sich über den Vorwurf in einem Leserbrief der FDP-Ratskandidatin Dr. Beate Janinhoff aufregen mussten, weil die von „Unwahrheiten, die die SPD in ihren Leserbriefen von sich gibt“ geschrieben haben soll. Hat sie auch, aber genau diese Passagen sind in der Glocke gar nicht veröffentlicht worden, weil wir solange an dem Janinhoff-Brief herumredigiert hatten, bis nur noch die Sachaussagen drin stehengeblieben waren.
Da hat sie Glück gehabt, die liebe Beate, dass wir so vorausschauend (andere würden sagen: zensierend) arbeiten! So braucht sie heute nicht zu lesen, dass ihr der Ratskollege Tertilt „Holzhammermethoden“ vorwirft. Unter Doktores eigentlich auch nicht die feine Art. Wir haben übrigens auch Glück gehabt und unsere Leser erst recht, denn wir haben den dadurch eingesparten Platz in unserer Zeitung sinnvoll(er) füllen können.
Wolffs fiese Fliesen
Nicht lesen können Sie in der „Glocke“ heute auch eine Stellungnahme der Heimatvereinsvorsitzenden Mechtild Wolff. Die sah sich veranlasst, so kurz vor der Wahl Stimmung in Sachen Marktplatzsanierung zu machen. Mit einem Horror-Foto, dass eine Geschäftsstraße mit spiegelglatten, superfiesen Fliesen (die würden bei uns nicht mal im Keller liegen) aus der Innenstadt von Minden garniert, versuchte die vor Jahren aus der CDU ausgetretene ehemalige Ratsfrau ihren Ex-Unionskollegen eins auszuwischen. Dabei behauptet sie, dass (die von der Stadt mit der Entwurfsplanung beauftragte) „Firma Pesch & Partner eine überteuerte Neupflasterung mit einem großflächigen, glatten Natursteinpflaster“ vorschlage. So hätte das Büro „schon die Innenstädte von Göttingen und Minden gestaltet, und die Bürger sind selbst entsetzt, dass die Stadt jetzt wie ein Bahnhofsvorplatz aussieht“.
Da hat die liebe Mechtild aber mal wieder einen rausgelassen. Aber ich denke, sie weiß als Ex-Ratsfrau durchaus noch, dass kein externes Büro dieser Welt, auch nicht Pesch & Partner, und kein Bauverwaltungsmann, auch nicht Peter Pesch, von sich aus darüber entscheiden können, welches Pflaster hier verlegt wird. Das macht immer noch der Rat, und zwar der neue, der am Sonntag gewählt wird. Ich bin sicher, wer immer darin sitzen wird, wird einer 60er-Jahre-Terrassenfliese keine Chance in Warendorfs Altstadt geben – in keiner Gasse, und auf keinen Fall auf unserem Marktplatz.
Oder vielleicht doch? Ausgerechnet ein ehemaliger Ratskollege von Mechtild Wolff, Hermann Wohlers, scheint mich da Lügen zu strafen. In seinem Leserbrief auf die bei uns aus gutem Grund noch gar nicht veröffentlichte Horrorgeschichte aus der Wolffschen Feder kritisierte er zwar seine ehemalige Mitstreiterin („Mechtild Wolff übertreibt wieder einmal sehr, ohne zu überzeugen“), um sich dann aber anscheinend und ausgerechnet als Freund des horizontalen Plattenbaus zu outen: Natursteinpflaster habe sich nicht bewährt, und die Begehbarkeit müsse oberste Prämisse sein. Wohlers wörtlich: „Dann wird kaum einer das historische Pflaster vermissen oder ihm nachtrauern.“
„Sogenannte Ehrenmänner“
Und dann ist da auch noch Hans-Georg Hild, der Zwillingsbruder des über Jahrzehnte omnipräsenten und nun aus dem aktiven Polit-Geschehen ausscheidenden CDU-Fraktionschefs (erst im Rat, dann im Kreistag) Karl-Wilhelm. Er äußerte sich einmal mehr zum Thema Führungskrise am Josephs-Hospital. Folgende Worte findet er für das Kuratorium, das, glaubt man dem Bürgermeister (siehe wiederum „Glocke“ von heute), eine jahrelange Pflichtverletzung des deshalb nun entlassenen Vorstandsvorsitzenden aufgedeckt haben will: „Frechheit“, „unverschämtes Spiel“, „unqualifiziert“, „erbärmlich“. Quintessenz des Herrn H. aus F.: „Die sogenannten Ehrenmänner sollten sich in Grund und Boden schämen.“
Man möchte all diesen Protagonisten zurufen: Abrüsten! Streitkultur gehört zur Demokratie, aber bitte die Kultur nicht vergessen. Und nicht vergessen, dass sich am Ende keiner mehr für Ehrenämter findet, wenn Fairness im Umgang untereinander auf der Strecke bleibt.
Die wollen doch nur spielen
Aber nein, so kann dieser Blog nach 20 Tagen nicht enden. Und deshalb sagen wir: Wenn die Wahl erstmal vorbei ist, werden sich die Damen und Herren schon wieder beruhigen. Die wollen doch nur spielen. Hunde, die bellen, beißen bekanntlich nicht. Und eigentlich sind alle, die sich am Sonntag zur Wahl stellen, ganz nette, friedliche und engagierte Menschen, die meisten sogar auch einen Tag vor der Wahl noch.
Darum: Gehen Sie am Sonntag hin und bestimmen Sie mit. Von mir aus auch, damit am Ende nicht doch noch Badezimmerfliesen auf dem Markt verlegt werden.