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Mittwoch, 7. Mai 2014

Noch 18 Tage: Und was ist mit Europa?

Noch 18 Tage: Und was ist mit Europa?


Von PETER WILD

Kommunalwahlen sind für eine Lokalzeitung wie „Die Glocke“ ganz wesentlicher Bestandteil der Berichterstattung für die Lokalseiten. In Warendorf stehen am 25. Mai Rats-, Kreistags- und Landratswahl an, in Beelen und Sassenberg zum Beispiel zusätzlich die Bürgermeisterwahl. Dass sich im Lokalteil daher ganz besonders der Kommunalwahlkampf spiegelt, ist Ausdruck unseres Selbstverständnisses. Europawahlthemen kommen daher oft nur in zweiter Reihe vor, und wenn, dann im sogenannten „Mantelteil“ unserer Zeitung, in Ressorts wie „Politik“ und „Zeitgeschehen“.

Doch augenscheinlich haben nicht nur für die lokalen Medien der Fokus ihrer Berichterstattung auf die Kommunalwahl gerichtet, sondern auch die politischen Parteien in NRW. Wer die bundesweit ausgestrahlten Werbespots –manchmal möchte man sie „Werbespotts“ nennen– abends vor dem Fernseher sieht, ertappt sich manchmal auch als politisch interessierter Mensch dabei, zu denken: Ach ja, die Europawahl ist ja auch noch! Was kannst Du den da eigentlich wählen?

Auch im Wahlkampf der Parteien vor Ort wird dieses Phänomen sichtbar. Zwar sind die größten Plakatwände im Stadtgebiet Warendorf (neben den gigantischen Plakaten des Landrats, versteht sich) mit Werbung für die Europawahl belegt, aber so wirklich findet das Thema Europa nicht statt. Es wird bis zum 25. Mai in Warendorf nicht eine wirklich überörtlich bedeutsame Veranstaltung, ob im Saal oder auf einem Platz, stattfinden, bei der ein europapolitisch relevanter Politiker uns Wählern erzählen will, warum Europa so wichtig ist und warum man sein Kreuzchen am besten bei seiner Partei machen sollte.

Die Kreisverbände von CDU und SPD zum Beispiel erklären auf „Glocke“-Anfrage unisono, dass europapolitische Themen zwar im Straßenwahlkampf und bei Besuchen ihrer regionalen Kandidaten vor Ort „natürlich“ eine Rolle spielten, geben aber auch gleichzeitig zu, dass der Kommunalwahlkampf im Vordergrund steht. Auch Grüne und FDP fahren den Europawahlkampf vor Ort auf Sparflamme.

Ein nicht unwesentlicher Nebeneffekt dieser Strategie könnte allerdings sein, dass die „etablierten“ Parteien mit dieser selbstgewählten Zurückhaltung eine Flanke für diejenigen bieten, die die Europäische Gemeinschaft in ihrer heutigen Form am liebsten abschaffen würden. Europakritische Parteien wie die „Alternative für Deutschland“ (AfD) können sich auch in Warendorf auf das konzentrieren, was sie am liebsten tun: Stimmung machen vor allem gegen die Währungsunion.

Am heutigen Mittwoch will der Kandidat Alfred Heitmann bei einer öffentlichen Saalveranstaltung (19.30 Uhr, Hotel Emshof) Überzeugungsarbeit leisten. Der pensionierte Fregattenkapitän, der sich selbst als „überzeugten Europäer“ bezeichnet, will Euro-Land sturmreif schießen, weil Deutschland „nicht für die Schulden aller südeuropäischer Staaten haften und zahlen“ soll. Er prophezeit, dass nach der Europawahl „riesige Transferleistungen“ zu erwarten seien, und „dass der deutsche Steuerzahler sukzessiv verarmen“ werde. Heitmann fordert, per Stimmzettel die Wahl zu treffen: „Ein Schrecken ohne Ende oder ein Ende mit Schrecken.“

Das müsste aufschrecken. Hoffentlich müssen die anderen, pro-europäischen Parteien ihre selbstgewählte Zurückhaltung im Europawahlkampf nicht am Ende teuer bezahlen, wenn man das politische Schlachtfeld solchen Fregattenkapitänen überlässt.

Das Plakat des Europawahl-Spitzenkandidaten Martin Schulz (SPD) an der Münsterstraße in Warendorf ist zwar deitlich größer als die Porträts der lokalen Kandidaten an den Laternenmasten. Aber der Fokus der Parteien vor Ort gilt ganz klar dem Kommunal-, nicht dem Europawahlkampf.

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